Stefanie Girstmair (2010). "The Entrepreneurial Poor". Das Subjekt im Anti-Aid-Entwicklungsdiskurs.
Der Entwicklungsdiskurs des 20. Jahrhunderts zeichnete sich dadurch aus, dass die Menschen in der sogenannten „Dritten Welt“ als die hilfsbedürftigen Anderen konstruiert wurden. In den gegenwärtigen neoliberalen Strömungen des Entwicklungsdiskurses wird diese paternalistische und rassistische Darstellung vor allem von EntwicklungsexpertInnen, die selbst aus Ländern der „Dritten Welt“ kommen, in Frage gestellt.„Die Armen“ sind in diesem „Anti-Aid“-Diskurs keine passiven Opfer der sozialen, politischen, ökonomischen und geographischen Umstände mehr, sondern werden zu handlungsfähigen „Entrepreneurial Poor“, die sich nur durch eigenen Fleiß aus der misslichen Lebenssituation befreien können.
Wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt wird, schließen sich paternalistische und neoliberale Repräsentationen von Menschen der „Dritten Welt“ jedoch nicht aus. Die „Armen“ des Anti-Aid-Diskurses sind, wie auch im kolonial geprägten Entwicklungsdiskurs, Mangelwesen, die im Kern jedoch die Eigenschaften des unternehmerischen Selbst aufweisen. Um sie der wahren Bestimmung ihres menschlichen Seins hinzuführen, bedarf es der Intervention von „westlich“ gebildeten Menschen, die auch Expertinnen aus Ländern des „Südens“ umfassen. Das Produkt dieses Empowerment-Prozesses ist der/die „Entrepreneurial Poor“, eine Subjektmodalität, die die Integration der „unterentwickelten Armen“ in den globalisierten Kapitalismus erlaubt.