Lukas Fochler (2021). „Psyche gut, alles gut“. Eine kritische Dispositivanalyse digitaler Applikation von Psychotherapie.

International betreiben eine zunehmende Zahl von ForscherInnen und PraktikerInnen therapeutische Interventionen unter Zuhilfenahme ‚neuer‘ Kommunikationsmedien. Die digitale Applikation von Psychotherapie, im Rahmen entsprechender Online-Programme und Apps, auf Basis verhaltenstherapeutischer Theorie und Methodik und mehr oder weniger (an-)geleitet durch Psychotherapeut- oder PsychologInnen, hat dementsprechend große Konjunktur. In der Verschaltung von Psychotherapie mit digitalen Technologien kommt es zu neuartigen Möglichkeiten der (Selbst-)Vermessung und der Modellierung von Handlungsräumen. Vor dem Hintergrund ökonomisch/kapitalistischer Interessen lässt sich dabei eine Veränderung der Intention und Praxis von Psychotherapie sichtbar machen, die sich gerade im Zuge non-kurativer Zielsetzungen bereits andeutet.

Im Rahmen einer kritischen Dispositivanalyse, die auf der Metatheorie Foucaults basiert, können psychotherapeutische Online-Programme als ‚Technologien des Selbst‘ gelesen werden. Eingebettet in bestimmte Macht-Wissens-Komplexe arbeiten sie der neoliberalen Gouvernementalität der Gegenwart – der von Foucault und anderen beschriebenen Art und Weise, wie zeitgenössische Gesellschaften regiert werden, indem die Selbstführung von Subjekten regiert wird – zu. Aufbauend auf und auf engste verwoben mit Prozessen der Ökonomisierung, Psychologisierung und Digitalisierung – so die These dieser Arbeit – stellen psychotherapeutische Online-Programme Teile von Hybridakteuren dar, die die ‚Psyche‘ als Knotenpunkt der Selbst- und Fremdführung produktiv machen.

Bei der empirischen Analyse eines derartigen psychotherapeutischen Online-Programms (Selfapy) und der zugehörigen App (Selfapy – Stimmungstagebuch) wird der Frage nachgegangen, wie die psychotherapeutische Praxis, im Rahmen ihrer digitalen Vermittlung und Applikation, als Angebot der unternehmerischen Selbstführung gestaltet wird. Im Zuge ‚psycho-logischer‘ Qualitäten, wie Achtsamkeit, Selbstkontrolle und Resilienz, wird ‚psychische Gesundheit‘ als zentraler Fluchtpunkt der individuellen Zufriedenheit und Lebensqualität ausgewiesen und dabei mit dem neoliberalen Regierungsziel der Produktivitäts- und Leistungssteigerung verschmolzen.

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