Melissa Desiree Mattler (2022). Optimal abgestimmt. Dispositivanalyse der Mood-Tracking-App „Moodflow”
Die Praxis der digitalen Selbstvermessung und Lebensprotokollierung – auch Self-Tracking genannt – erfreut sich seit Jahren stetig wachsender Beliebtheit. Was als ein Phänomen am Rande kultur-, sozial- und medienwissenschaftlicher Untersuchungen begann, hat längst Einzug in die Massenkultur gehalten und markiert damit eine der signifikantesten gesellschaftlichen Veränderungen der Gegenwart. Einen maßgeblichen Beitrag zum Siegeszug des Self-Trackings leistete die sogenannte ‚Quantified Self-Bewegung‘, deren Mitgliedern der Anspruch von ‚Selbsterkenntnis durch Zahlen‘ gemeinsam ist. Möglich gemacht wird die digitale Selbstvermessung mithilfe von modernen Gadgets und Dienstleistungen, die eine eigenständige und systematische Erhebung von Verhaltens- und Körperdaten erlauben. Ursprünglich primär auf den Bereich des Fitness- und Gesundheitsmonitorings beschränkt, umfasst das Self-Tracking mittlerweile auch verschiedene Verfahren zur systematischen Protokollierung ‚des Emotionalen‘. Im Mood-Tracking – der digitalen Selbstvermessung der Gefühle – dokumentiert sich der Anspruch, Stimmungs- und Gefühlslagen zu erfassen und auf ihre Zusammenhänge mit verschiedensten Bereichen des alltäglichen Lebens hin zu untersuchen.
Die vorliegende Arbeit unternimmt eine soziohistorische Kontextualisierung des Phänomens und untersucht das Mood-Tracking in seiner konkreten Umsetzung am Beispiel der beliebten Mood-Tracking-App ‚Moodflow‘. Die Erhebung und Analyse des empirischen Datenmaterials erfolgt im Rahmen einer Triangulierung von Walkthrough Methode (Light et al., 2018) und Dispositivanalyse (Bührmann & Schneider, 2012). Im Rückgriff auf das Begriffsinventar von Foucault und Deleuze wird Moodflow als lokale Manifestation eines neoliberalen Grunddispositivs verstanden, im Zuge dessen die psychische Gesundheit des Menschen zunehmend der Logik des neoliberalen Effizienz- und Leistungsparadigmas einverleibt wird. Moodflow und verwandte Systeme werden dabei als Antworten auf eine gesellschaftliche Dringlichkeit (‚Urgence‘) verstanden, die sich vor dem Hintergrund historischer Machtverhältnisse auf der Meso- bzw. Makroebene der Gesellschaft entfaltet. In ihrem Zentrum steht die Hervorbringung disziplinierter und eigenverantwortlicher Bürger*innen(-Subjekte), die sich um sich selbst sorgen.
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