Sertan Batur (2017). Ein Sozialpsychologe in einer Welt im Wandel. Entstehung der Sozialpsychologie von Muzafer Sherif.
In dieser Arbeit wird der erste, vierzig Jahre umfassende Teil der intellektuellen Biografie des türkisch-amerikanischen Sozialpsychologen Muzafer Sherif (1905-1988) rekonstruiert. Anhand der Archivmaterialien werden zwei Forschungsinteressen verfolgt:
1. Was sind die Grundthemen von Sherifs Theorie und welche historische und gesellschaftliche Relevanz kommt ihnen zu? Dazu werden kulturhistorische und politische Besonderheiten und die in intellektuellen sowie akademischen Kreisen in der Türkei und den USA während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts diskutierten gesellschaftlichen Themen, aus denen Sherif seine Fragestellungen ableitete, erörtert.
2. Welche theoretische Konstrukte wandte Sherif in Behandlung dieser Grundthemen an und was war es, das ihm diese Konstrukte als sinnvoll erscheinen ließ? Die adäquate Beantwortung dieser Fragen wird Aufschluss darüber geben, welchen Beitrag diese Konstrukte im jeweiligen historischen und kulturellen Kontext zur Lösung der wichtigen gesellschaftlichen Probleme zu leisten imstande waren.
Was die Beantwortung dieser Fragen auf jeden Fall zeigt, ist, dass Sherifs Arbeit eine fortschrittliche Sozialpsychologie war, die, entstanden vor dem Hintergrund der rapiden Transition der amerikanischen und der türkischen Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den gesellschaftlichen Wandel in eine egalitäre Richtung zu lenken beabsichtigte. In seinen ersten Jahren reichlich von türkischen Interpretationen von Emile Durkheim und Henri Bergson beeinflusst, nahm Sherif später verstärkt Anleihe bei der Gestaltpsychologie, bei Jean Piagets Theorie über moralische Entwicklung sowie beim türkischen Marxismus.