Sabrina Huth (2015). Es tanzt sich. Eine mikroanalytische Studie zur gelebten Erfahrung von Kontakt Improvisationstänzer*innen.
Jegliche non-verbale Interaktion ist von einer Vielzahl hochkomplexer, impliziter und prozeduraler Vorgänge und Erfahrungsdimensionen begleitet- sei es ein flüchtiger Händedruck oder eine Situation im Kontakt Improvisationstanz. Der Großteil situativ gebundenen und körperlich verankerten Wissens um eine gelebte Erfahrung bleibt jedoch unbewusst und dementsprechend schwer explizierbar. In vorliegender Arbeit wird theoretisch und empirisch-praktisch erprobt, inwiefern die gelebte Erfahrung von Kontakt Improvisationstänzer*innen ein ‚erforschbarer‘ Forschungsgegenstand ist.
Zur Untersuchung zeitlich kurzer, aber dichter Interaktionssituationen wird in Anlehnung an Daniel Stern, Eugene T. Gendlin, Claire Petitmengin und (neuro)phänomenologische Weggefährt*innen das methodische Instrument des ‚mikroanalytischen Explikationsinterviews‘ (MEI) eingeführt und mit unstrukturierten teilnehmenden Beobachtungen, sowie der verkörperten Erfahrung der Autorin und Tänzerin angereichert.
Es zeigt sich, dass die gelebte Erfahrung der Kontakt Improvisationstänzer*innen zwischen drei Phasen und entsprechenden (Selbst)Empfindungen oszilliert: ‚Sich-Einlassen‘, ‚Sich-Verbinden‘ und ‚Miteinander-Verschmelzen‘. Die Tänzer*innen erleben sich selbst in Bezug zum/zur tanzenden Anderen als Mehr- und Einheit zugleich mit durchlässigen, sich ausdehnenden Körper- und Identitätsgrenzen. Sie ko-kreieren über wechselseitige Rückkopplungs- und Synchronisationsdynamiken einen mehrdeutigen Erfahrungsraum, der die abendländisch binäre Weltordnung unterläuft und an initiale, der Sprache ontogenetisch vorgängige Seinszustände anklingt.
Detailliertere inhaltliche Beschreibung
Sabrina Huth führt in dieser Arbeit ihre wissenschaftliche Expertise als Psychologin an einen anderen Bereich heran, der ihr Leben in den Jahren ihres Studiums geprägt hat: die Kontaktimprovisation. Zwangsläufig gerät sie dabei an ganz große Fragen: Was geschieht, wenn die wissenschaftliche Suche nach Wahrheit, die sich traditionell an überzeitlicher Wahrheit orientiert, auf situativ gebundenes Wissen trifft, auf eine Welt der permanenten Veränderung bzw. wenn theoretisches Denken ‚reine Körperlichkeit‘ zu fassen versucht?Glücklicherweise haben auf Seiten der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten einige Entwicklungen die Anschlussmöglichkeiten entscheidend verbessert. Zu nennen sind hier v.a. embodiment-Diskurse in den Kognitionswissenschaften sowie (neo)phänomenologische Ansätze. Und auch bezüglich der empirischen Zugangsmöglichkeiten sind entscheidende Fortschritte bei der Annäherung an situativ gebundenes Wissen erzielt worden. Einzelne Studien haben sich auch schon dezidiert der Kontaktimprovisation (CI) zugewandt. Die Autorin, die sich über den diesbezüglichen state of the art und die wissenschaftlichen Ambitionen innerhalb der CI-community gut informiert zeigt, will – und das macht Sinn – ihren eigenen Fokus auf den Prozess des Erlebens der CI richten und nicht auf das Resultat (d.h. das Erlebte, so wie es im Nachhinein z.B. aus Interviews gewonnen werden kann). Dabei interessiert sie sich sowohl für die diachrone Dimension (also die Art und Weise, wie sich bestimmte Situationen in der CI zeitlich entfalten)als auch für die synchrone Dimension (d.h. den ‚Querschnitt‘ und die Struktur) der gelebten Erfahrung.
Der Theorieteil der Arbeit beginnt mit einer sehr einladend geschriebenen und gut illustrierten Darstellung der Geschichte und der performativen Praxis der CI. Auch der erkenntnistheoretischen Hintergrundproblematik ist sich die Arbeit bewusst (wesentliche Autoren bzw. Elemente eines de-essentialistischen, insbesondere konstruktivistischen und diskurstheoretischen Körperverständnisses werden genannt), wenn hier auch nicht der Schwerpunkt der Auseinandersetzung liegt. Zentral greift Frau Huth hier den von Novack (1990) etablierten Begriff des ‚responsive body‘ auf, d.h. des erwidernden und empfänglichen Körpers, ohne mit diesem Fokus auf Responsivität dessen Fähigkeit zum spontanen Agieren in Abrede stellen zu wollen.
Neben der auch dem psychologischen mainstream geläufigen Unterscheidung zwischen implizitem und expliziten Wissen bzw. Gedächtnis lässt sich die Autorin bei ihrer ihrem theoretischen Sensibilisierung v.a. von drei Autoren leiten: Von Gene Gendlin und seiner Rede vom ‚felt sense‘; von Daniel Sterns Terminus der ‚Vitalitätseffekte‘; und von Claire Petitmengin, in deren Forschungsarbeiten von ‚felt meaning‘ die Rede ist und die vor allem durch ihre präzise und detaillierte Differenzierung struktureller Charakteristiken der gelebten Erfahrung für das hier verfolgte Vorhaben von Interesse sind.
Felt sense im Sinne Gene Gendlins ist eine Art des Erlebens, welche zwar bewusst, aber noch nicht im üblichen Sinne symbolisiert ist, d.h. damit wird das schon Gespürte, aber noch nicht Gewusste, d.h. noch nicht in die (hegemoniale) Wissensordnung Eingereihte, noch nicht Gedeutete angesprochen, jenes noch in seinem Eigenraum schwingende, auch nicht über die Sinnesorgane vermittelte Wissen, das sich ständig weiter trägt und weiter entfaltet, auch in die Sprache hinein. Damit sind wesentliche Charakteristika jenes Wissen benannt, dem die Autorin in Bezug auf die Kontaktimprovisation auf die Spur kommen will.
In der Auseinandersetzung mit Daniel Stern verschiebt sich der Fokus vom individuellen zum intersubjektiven Erleben. Laut Stern geht dem Spracherwerb die Aneignung einer Art von Wissen voraus, das nicht symbolisiert und nicht narrativiert ist und von ihm als ‚implizites Beziehungswissen‘, ‚implizit relationales Wissen‘ oder ‚dynamische Formen der Vitalität‘ bezeichnet wird; diesen – und für Stern damit auch dem Primat der Bewegung – kommt in der frühkindlichen Entwicklung von Intersubjektivität die Schlüsselrolle zu.
Claire Petitmengins Schlüsselbegriff Felt Meaning referiert ebenfalls auf eine prä-reflexive, prä-konzeptuelle und prä-diskursive Schicht unseres Bewusstseins, die verschwommen und flüchtig in Erscheinung tritt. Die Wurzeln unseres Denkens sind corpo-real als konkrete, prä-diskursive Strukturen ‚verankert‘. Unsere in Konzepte und Symbolisierungen differenzierte, bewusste Welt entspringt demnach einer fluiden und undifferenzierten Quelle, die aus Mikrobewegungen gespeist wird und zumeist incognito bleibt, aber unter bestimmten Bedingungen, mittels bestimmter Methoden und Techniken, bezüglich derer Petitmengin sicherlich zu den Pionierinnen zählt, bewusst und verbalisierbar werden kann.
Der Zugriff auf diese die Arbeit leitenden theoretischen Angebote ist so sensibel wie präzise und lässt sich folgendermaßen resümieren: Das im Forschungsinteresse liegende Wissen um eine situationsgebundene, non-verbale (Bewegungs-)Erfahrung in der Kontakt Improvisation ist implizit, prozedural und nicht deklarativ. Die Erfahrung selbst ist multi- und transmodal und besitzt eigene Submodalitäten, wie Kraft, Intensität, Zeit, Raum, Bewegung und Intension. Ein Teil des impliziten Körper- und Bewegungswissen kann unter bestimmten Umständen in Sprache überführt, symbolisiert und konzeptualisiert werden.
Will frau also wissen, wie genau sich ein kurzer, akrobatischer Moment oder eine lang andauernde Berührung entfaltet, welche Körper- und Bewegungsempfindungen damit verbunden sind oder welche zeitliche Dynamik und Intensität das Erleben prägen, dann stellen sich beachtliche method(olog)ische Herausforderungen: ein implizit-prozedurales Wissen soll dem Bewusstsein zugänglich gemacht werden, körperlich vermittelte bzw. gebundene Erfahrungen, für die kein oder kaum kollektiv-generalisierte Begrifflichkeiten zur Verfügung stehen, sollen verbalisiert werden.
In ihrer empirischen Annäherung (Kapitel III) orientiert sich Frau Huth übergeordnet an einer rekonstruktiven Forschungslogik, deren Anspruch es ja gerade ist, implizite Bedeutungen, wie sie in der Art und Weise, im Wieeiner Interaktionssequenz zum Ausdruck kommen, zu erfassen. Als konkrete Forschungsmethode wählt sie eine mikroanalytische Interviewform, das mikroanalytischen Explikationsinterview (MEI) nach Petitmengin, dies eingebettet in ein Setting ethnografischer Feldforschung (Feldnotizen und MEIs wurden während teilnehmenden Beobachtungen der europäischen CI-Szene erhoben: im Juli 2013 beim ‚Contact Meets Contemporary‘ Tanzfestival in Göttingen, im November 2013 beim Festival für Kontakt Improvisation in Wien, im August 2014 bei einem Workshop ‚Liquid body‘ in Wien, im November 2014 bei dem Workshop ‚Experienced Intensive‘ in Berlin).
Das ‚mikroanalytische Explikationsinterview‘ (MEI) ist ein methodisches Werkzeug zur feingliedrigen Untersuchung kurzer, aber dichter Interaktionssituationen, das sich besonders zur Explikation von implizitem (Körper- und Bewegungs-)Wissen eignet. Ziel des Verfahrens ist, eine situative (hier: Kontaktimprovisations-) Erfahrung rückwirkend introspektiv zu erschließen. Die Interviewerin unterstützt dabei den oder die Interviewte, die Aufmerksamkeit auf ein spezifisches Segment der Erfahrung zu richten und dieses so detailliert wie möglich zu beschreiben. Das Interview findet daher idealerweise unmittelbar im Anschluss an die Erfahrung oder, wie hier bei einem der insgesamt sechs durchgeführten Interviews, unmittelbar nach einer Videovergegenwärtigung der fokussierten Szene statt. Jeweils wird die interviewte Person zunächst eingeladen, sich in das Erlebte zurückzuversetzen und zusammenfassend darüber zu berichten. Anschließend bestimmen Interviewerin und Interviewte/r gemeinsam einen spezifischen Ausschnitt zur eingehenden Analyse. Dieses oft nur wenige Sekunden umfassende Segment ist durch einen festgesetzten Anfang und Ende klar definiert. Um es so spezifisch als möglich zu erschließen, wird die Aufmerksamkeit auf verschiedene Dimensionen des Erlebens gelenkt und solange vertieft, bis die gelebte Erfahrung annähernd erschöpfend erschlossen ist.
Das MEI stellt ein methodisches Konglomerat dar, das Kernaspekte des ‚Focusing‘ nach Eugene T. Gendlin, des ‚mikroanalytischen Interviews‘ nach Daniel Stern und der Methodologie Claire Petitmengins übernimmt:
-) Mit Gendlins ‚Focusing‘ ist der ‚Felt Sense‘, bzw. das unmittelbare, körperliche Erleben zu einer Situation Ausgangs- und Ankerpunkt der Methode. Durch das Verweilen und achtsame Wahrnehmen der gespürten Befindlichkeit, wie beispielsweise ein konkretes Empfinden im Magen oder Brustkorb, sollen Aspekte des impliziten Wissens ins explizite symbolisierende, selbst-reflexive Bewusstsein gehoben werden.
-) Darüberhinaus orientiert sich das Verfahren an dem von Stern entwickelten mikroanalytischen Interview. Zur retrospektiven Erforschung des ‚Gegenwartsmoments‘ setzt dieses phänomenales Erleben nachträglich in mehreren Schichten zu einem Narrativ zusammen. Auf der Basis wiederholter Schilderungen ein- und desselben Ereignisses wird eine Narration verfertigt, die mit jeder Schilderung ‚korrigiert‘, ergänzt, gekürzt oder vertieft wird.
-) Die leitende Annahme des ‚Explicitation Interviews‘, das Petitmengin von Vermersch übernimmt, ‘besteht darin, dass gelebte Erfahrungen a posteriori nur singulär erschlossen werden können. Eine Erfahrung kann nicht allgemein erlebt werden, nur präzise situiert zu einer spezifischen Zeit und an einem spezifischen Ort. Um diese rückwirkend zu erschließen bedient sich Petitmengin dialogischer Fragetechniken, wie zum Beispiel die Verwendung von ‚Wie‘ anstelle von ‚Warum‘ Fragen, das Verweilen beim Thema oder das sanfte, aber bestimmte Zurücklenken des Interviewgesprächs, wenn der Interviewte in abstraktes Wissen bzw. in generalisiert-kommunikative Begrifflichkeiten zurückfällt und nur mehr über die Erfahrung spricht, statt in Kontakt mit dieser körperlich-verankertes Erfahrungswissen zu evozieren.
Im Forschungsverlauf wurden, meist in unmittelbarem Anschluss an einen CI-workshop, insgesamt sechs semi-strukturierte MEIs mit fünf Tänzerinnen und einem Tänzer durchgeführt, aus jedem davon wird ein vom jeweilig Interviewten selbst gewählter Abschnitt/eine selbst gewählte Szene feinanalysiert. Bis auf eine der InterviewteilnehmerInnen thematisieren alle einen Moment, in dem sie sich entlang einer gemeinsamen Berührungsstelle bewegen. Dieser ‚rollende Kontaktpunkt‘ stellt, wenig verwunderlich, das essentielle Element der Kontaktimprovisation dar: Um ihn zu initiieren oder aufrechtzuerhalten ‚heben‘, ‚rollen‘, ‚drücken‘ oder ‚gleiten‘ die Interviewten in verschiedensten Berührungsintensitäten und Geschwindigkeiten aneinander, umeinander und miteinander, wobei die Autorin hier idealtypisch drei Phasen – Sich-Einlassen‘, Sich-Verbinden‘ und ‚Miteinander-Verschmelzen‘ – jeweils mit Unterphasen (z.B. Ausweiten, Synchronisieren, Rückkoppelung etc. als Unterphasen des Verschmelzens) zu identifizieren meint, die man wohl auch auf andere Formen enger körperlicher, nicht nur tänzerischer Begegnung umlegen könnte.
Dieser in Kapitel IV.3. detailliert aufgeschlüsselte und auch graphisch umgesetzte Modellentwurf bezieht sich analog zu dem mikroanalytischen Interviewfokus auf das ‚subjektive Erleben‘ eines wenige Sekunden andauernden ‚Mikromoments‘ im CI-Tanz aus Perspektive des/der TänzerIn. Sabrina Huth betont in ihrem Modell, dass die gelebte Erfahrung der CI-TänzerInnen keinem linearen Verlauf folgt, sondern zwischen den drei Phasen – ‚Sich-Einlassen‘, ‚Sich-Verbinden‘ und ‚Miteinander-Verschmelzen‘ – und den damit verbundenen Erlebens- und Erfahrensweisen oszilliert. Die Erfahrung schwingt dabei auch zwischen Individuellem und Überindividuellem, zwischen differenzierten und undifferenzierten Ich-Gefühlen und Sinnesmodalitäten; dies zum Teil so schnell, dass die einzelnen Zustände annähernd simultan erlebt werden.Im Spannungsfeld aus Balance und Disbalance, Orientierung und Desorientierung, Kontinuität und Diskontinuität, Stabilität und Destabilität erlebt sich das tanzende Selbst in Bezug zum/zur tanzenden Anderen folglich als Ein- und Mehrheit zugleich, als miteinander verbunden und voneinander getrennt. Körper- und Identitätsgrenzen werden über die wechselseitige Gewichtsabgabe und die gemeinsame Berührungsfläche besonders deutlich wahrgenommen. Gleichzeitig verschwimmen sie in der Wahrnehmung einer geteilten Berührungsfläche und eines gemeinsamen Schwerpunkts.
Sabrina Huth bricht in diesem Abschnitt ihrer Arbeit, dabei ganz von ihrem Material geleitet, aus der abendländischen Ontologie aus und in eine Freiheit tanzenden Denkens ein, die ihresgleichen sucht. Ihrezusammenschauende Analyse ist so sensibel wie plausibel – und sie ist phänomenologisch in dem guten Sinn, dass hier scheinbar Triviales durch fokussierte Betrachtung so weit angehoben wird, dass es erkenntnismäßig wieder zu knistern beginnt.
Die Herausforderungen, die mit der Explikation der gelebten Erfahrung – grundsätzlich und im Rahmen dieser Forschungsarbeit – verbunden sind, diskutiert und reflektiert die Autorin im Kapitel V eingebunden in einen method(olog)ischen Diskurs um introspektive Forschungsmethoden. Ihr Fazit: Um das volle Potential an systematisch erhobenen ‚Innensichten‘ auszuschöpfen, gilt es vorhandene introspektive Instrumentarien feinzujustieren und in unterschiedlichen Forschungsfeldern zu erproben, anstelle in tradierten Vorurteilen zu verharren. Die vorliegende Studie zur gelebten Erfahrung von CI-TänzerInnen liefert jedenfalls einen eindeutigen Beleg für die Produktivität eines derartigen Ansetzens.
Das abschließende Kapitel VI führt Ziele und Ergebnisse der Arbeit im Sinn einer Manöverkritik des Erreichten zusammen und skizziert inhaltliche und methodische Anküpfungspunkte für weitere Forschungsbemühungen, die so spannend sind (insbesondere gilt diese für die noch einmal mit Stern argumentierte entwicklungspsychologische Deutung der eigenen empirischen Befunde), dass zu hoffen bleibt, dass diese Fährten von der Autorin oder anderen weiter verfolgt werden können.
Fazit: Sabrina Huth hat sich im Lauf ihrer Annäherung an die empirische Umsetzung ihres Forschungsprojektes sowohl theoretisch an sehr gut ausgewählten und geeigneten Angeboten sensibilisiert als auch das qualitative Methodenspektrum gründlich sondiert, um dann auf das sinnvollste Instrument zuzugreifen, das für Ihr Anliegen zur Verfügung steht. Theorie und Methode sind ausgezeichnet vernetzt und aufeinander abgestimmt. Die Umwege, die sie bei ihrer methodischen Annäherung gemacht hat, sind dem Text positiv anzumerken: Sie haben die Ortskenntnis der Autorin entscheidend erhöht, sie schreibt jetzt im vollen Bewusstsein des Leistungsprofils einzelner qualitativer Verfahren und konnte sich vor diesem Hintergrund dann auf Bearbeitung dessen konzentrieren, was wirklich Gehalt verspricht. Die Methode der geleiteten retrospektiven Introspektion stellt sich für das vorliegende Forschungsinteresse als Glücksgriff heraus.
Improvisation, das lässt sich aus der vorgelegten Arbeit resümieren, stellt als Handlungstypus jedenfalls eine große Herausforderung nicht nur an die gängigen Handlungstheorien, sondern auch an die Methoden der Psychologie dar, die in aller Regel an einem expliziten Wissen und an einem rational und bewusst agierenden Menschen modelliert sind, der im hellen Licht seines Bewusstsein Ist- mit Sollwerten vergleicht, als ob er alle Zeit der Welt hätte, und der dann auch im hellen Licht des Bewusstseins Auskunft über seine Handlungen geben soll.
Spannend ist die Arbeit auch insofern, als sie die Brücken zwischen kognitionswissenschaftlichen und phänomenologischen bzw. neo-introspektiven Ansätzen zumindest markiert (ohne sie meist weiter auszuführen). Jedenfalls ist der Autorin zu einer ausgesprochen herausfordernden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit implizitem Bewegungswissen zu gratulieren, in der sie auch selbst als Forscherin, ohne sich dabei je in den Vordergrund zu drängen, stets gut spürbar bleibt.