Nora Ruck (2011). Darwins Ästhetik? Eine Kritik evolutionspsychologischer Attraktivitätsforschung.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das wissenschaftliche Feld der evolutionspsychologischen Attraktivitätsforschung. In diesem Forschungsfeld ist seit den 1990er Jahren eine ›gute Gene‹-Hypothese dominant, die körperliche Schönheit als Ausdruck ›guter Gene‹ begreift. Die Untersuchung geht der Frage nach, warum es um 1990 möglich wird, über körperliche ›Schönheit‹ als ›Gesundheitszertifikat‹ zu sprechen, und warum diese Perspektive dominant wird.

Die Arbeit ist anhand zweier unterschiedlicher Kritikbegriffe in der Wissenschaft strukturiert. Die erste, immanente Strategie der Kritik besteht darin, wissenschaftliche Sätze zu falsifizieren. Diese Kritik wird auf die evolutionspsychologische Attraktivitätsforschung angewendet, indem ihre empirische Evidenzen kritisch hinterfragt werden. Eine zweite Möglichkeit von Kritik geht den historischen und sozialen Entstehungsbedingungen von Wissenschaft nach. Anhand dieser Perspektive fragt die Untersuchung danach, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine evolutionspsychologische Perspektive in der Attraktivitätsforschung der 1990er dominant werden konnte.

Zunächst werden dafür Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts und deren gesellschaftliche Bedingungen als Voraussetzung diskutiert. In einem nächsten Schritt werden anhand der Methode der kritischen Diskursanalyse ausgewählte Texte der evolutionspsychologischen Attraktivitätsforschung untersucht. Die Diskursanalyse wird dabei auf jene Textstellen in wissenschaftlichen Publikationen fokussiert, in denen theoretische evolutionspsychologische Setzungen trotz mangelnder empirischer Evidenzen aufrecht erhalten werden. Dabei wird analysiert, ob in Texten der evolutionspsychologischen Attraktivitätsforschung mangelhafte Evidenzen durch Spekulationen wettgemacht werden, die gegenwärtige soziale Verhältnisse widerspiegeln und damit naturalisieren.

Insgesamt zielt die Arbeit auf die Frage ab, welche sozialen Verhältnisse und Ungleichheiten durch die evolutionspsychologische Attraktivitätsforschung zugleich naturalisiert und stabilisiert werden. Es soll damit ein Beitrag zur feministischen Wissenschaftskritik und der Frage geleistet werden, wie Wissenschaft und soziale, vergeschlechtlichte Ungleichheiten zusammen hängen.