Martin Schmid (2013). Venus Oeconomica – Liebe und Kalkül. Eine kulturpsychologische Kritik zeitgenössischer Beziehungsökonomik am Beispiel der technischen Herstellung romantischer Intimität.

Zentrale Aufgabe dieser kulturpsychologischen Arbeit ist die theoretische Entwicklung und Kontextualisierung einer Kritik zeitgenössischer Beziehungsökonomik. Im Hinblick auf begriffliche Leitmotive und Übersetzungen der hierzu besprochenen Verhaltensmodelle und Praxen instrumenteller Beziehungsrationalität soll nach einer spezifisch kulturellen Matrix technologischökonomischer Rahmenbedingungen von romantischer Intimität gefragt werden.

Zur sukzessiven Konkretion dieser komplex verwobenen Matrix wird zunächst der Begriff der Instrumentellen Vernunft (Horkheimer) insbesondere in seinen wissenschaftstheoretischen Aspekten erarbeitet und um Vorüberlegungen zur neueren Kritischen Theorie (Honneth) ergänzt. Hierauf folgt eine Einführung der diskurstheoretischen Subjektivierungsform des Unternehmerischen Selbst (Bröckling) im besonderen Hinblick auf marktontologische Implikationen. Auf dieser Ebene werden ferner auch Ansätze und Modellannahmen zur ökonomischen Humankapitaltheorie (Becker) sowie zum psychologischen Investmentmodell (Rusbult) in ihren Grundüberlegungen erläutert sowie in ihren begrifflichen Parallelen, Schnittstellen und Unvereinbarkeiten besprochen.

In einem zweiten Teil der Arbeit erfolgt eine empirische Erweiterung im Sinne einer kontextuellen Betrachtung von digitalen Partnermärkten. Diese wird wesentlich vor dem theoretischen Hintergrund einer thematischen Verdichtung von Eva Illouz` Kultursoziologie der Liebe vorgenommen. Im Anschluss an diese Betrachtung wird das Material zusätzlich mit Heideggers Ontologie der Technik (nach Luckner) auf einer technikphilosophischen Ebene reflektiert. Hierbei wird zunächst ein spezifischer Formalismus kommensurabler Verdinglichung deutlich, welcher im Zusammenspiel mit psychologisch-therapeutischen Ontologien des Selbst jene Grundlage romantischer Such- und Kommunikationsprozesse bildet, die im Kontext der technologischen Prozeduralität der untersuchten Partnermärkte logisch vorausgesetzt wird. Die kalkulierende Antizipationsleistung eines Denkens in statisch verfügbaren Ressourcen im Sinne des Verfügungswissens (Heidegger) geht dabei insbesondere in der Anwendung verschiedenster Verfahren und Mittel zur effizienten Informationsreduktion bzw. Entscheidungsfindung mit einer technisch-instrumentellen Versiegelung von Lebenswelten (Luckner) einher. In einer vom romantischen Gegenüber distanziert verorteten, indirekten Initiierung und technischen Steuerung von Kennenlernprozessen wird ferner das Problem sozialer Anerkennung im Verhältnis zum utilitaristischen Ideal der Autonomie sichtbar. Schließlich werden neben weiteren selbstreferentiellen Aspekten digitaler Partnermärkte auch Überforderungssymptome der Liebe besprochen, wie sie etwa im Sinne einer erotischen Unlust im Prozess der hyperkognitiven Suche (Illouz) auf ein spezifisch psychologisches Kommunikationsparadigma verweisen. Jenes Paradigma artikuliert sich vor dem Hintergrund einer technologisch optimierten Personendaten- und Emotionstransparenz im Kontext einer zunehmenden Abstraktion und Textualisierung von romantischer Intimität.