Lea Wiese (2018). Von ‚Kriegskindern‘ zu Flüchtlingskindern – Impulse aus Anna Freuds psychoanalytischem Ansatz in den ‚Hampstead War Nurseries‘ für die psychologische Arbeit mit Flüchtlingskindern heute.

Die „Hampstead War Nurseries“ (1941-1945) waren ein von Anna Freud und Dorothy Burlingham in London gegründetes „Kriegskinder“-Heim, das als psychoanalytisches Forschungsprojekt und Interventionsstätte diente. Durch die vorliegende theoretische Arbeit soll die Frage beantwortet werden, ob sich aus diesem Ansatz wertvolle Impulse für die heutige psychologische Arbeit mit Flüchtlingskindern extrahieren lassen.

Vor dem Hintergrund von Anna Freuds Ausarbeitung der Kinderanalyse und ihres Forschungs- und Traumaverständnisses wird das historische Projekt anhand einer Analyse der zentralen Themen in der Beobachtung der „Kriegskinder“ aus den Monatsberichten der „Nurseries“ untersucht. Darauf aufbauend werden inhaltliche Bezüge zu modernen psychologischen und psychoanalytischen Auffassungen in der aktuellen psychologischen Arbeit mit Flüchtlingskindern herausgearbeitet. Untersucht werden die Themenbereiche der Konzeptionen von psychischem Trauma, Kriegs-/Flucht- und Verlusterfahrungen, Bewältigungsmechanismen, Entwicklungs- und kulturellen Aspekte und therapeutischen Ansätze.

Inhaltliche Diskrepanzen der verglichenen Diskurse finden sich vorrangig im Verständnis von Trauma- und Angstgenese sowie der innerpsychischen Erlebensweisen, in (triebtheoretischen) Überlegungen zu kindlicher Aggression, Objektbeziehungen und (psychosexueller) Entwicklung. Unter der Berücksichtigung der historisch bedingt begrenzten Vergleichbarkeit wird eine Übertragung der in den „Nurseries“ angewandten psychoanalytischen Überlegungen auf heutige Flüchtlingskinder als fruchtbare Möglichkeit diskutiert, zu einem kritisch geschärften und tiefgehenden Verständnis von deren Psychogenese zu gelangen.