Forschungsschwerpunkt Dispositivanalysen

In den letzten Jahren haben wir uns verstärkt der Analyse von Apps, Plattformen und Interfaces zugewandt. Wir betrachten diese Ensembles als Mikrodispositive im Sinne Foucaults und Deleuzes, d.h. als »Transmitter«, die epistemische Ordnungen und gesellschaftlichen (Macht)Verhältnisse in die Selbst- und Weltverhältnisse aktueller Subjekte vermitteln – bei gleichzeitiger Verschleierung dieser Verhältnisse. Hierzu sind bereits einige Abschlussarbeiten entstanden, an die weitere Masterprojekte gut anschließen könnten. Auch ein aktuelles Dissertationsprojekt bedient sich dieser methodologischen Perspektive.

The quantified Affect: Microdispositifs of Mood Tracking

(Dissertationsprojekt von Moritz Meister, MSc)

Mood-Tracking Apps ermöglichen die regelmäßige Protokollierung des eigenen Gefühlszustandes in Form von Emojis, Farbverläufen oder Zahlenwerten. Wie im Self-Tracking üblich, erhalten User*innen durch Punkte, Tabellen und Visualisierungen Feedback zu ihren 'emotionalen Daten'. Oft werden auf Basis dessen Interventionen und Verhaltensänderungen vorschlagen. Auch im Arbeitskontext gewinnen ‚emotionale Kompetenzen‘ und psychische Ressourcen zunehmend Relevanz. Seit wenigen Jahren gibt es spezifische Mood-Tracking Anwendungen, die Unternehmen für Mitarbeiter*innen implementieren. Dieser Nutzungskontext ist einer der Auslöser des Forschungsinteresses und spiegelt sich im empirischen Material wider.

Mood-Tracking Apps werden hier analytisch als techno-materielle Gestelle (Mikrodispositive) verstanden, die zentrale psychosoziale Mechanismen der Selbst- und Fremdbeziehung (Subjektivierungsprozesse) sowie affektives, körperliches und soziales Wissen vermitteln. Ziel des Dissertationsprojekts ist es, diese Subjektivierungsprozesse qualitativ zu erforschen: Wie wird das implizite Verstehen, das Reflektieren, Kommunizieren und Ausleben der eigenen Affekte gerahmt und vermittelt? Welche normativen, ideologischen und diskursiven Referenzen ‚stecken‘ im Design von Mood-Tracking Apps. Und: Welche Formen der Nutzung, Aneignung, Umdeutung und des spielerischen Umgangs mit Mood-Tracking legen konkrete User*innen an den Tag?

Methodologisch wird hierfür eine partizipativ-ethnographische Interface-Analyse einer Reihe von Mood-Tracking Programmen (Walkthrough-Methode) mit Interviews, Gruppendiskussionen und Media Go-Alongs – im Privat- wie Arbeitskontext – trianguliert. Der Rahmen der rekonstruktiven Praxeologie erlaubt es, diese nutzerzentrierten Daten als Formen von Aneignung, Reframing oder Meta-Gaming der Apps zu begreifen, die jenseits der ursprünglich intendierten Nutzungsweisen liegen und emanzipatives Potenzial bergen können.